– Auszug meiner ersten Reise in den Norden Norwegens –
Norwegen – Der nächste Morgen brach an und ich war schon wieder früh auf den Beinen.
Etwas zerknirscht und verschlafen saß ich vor der Hütte, trank meinen Cappuccino, guckte ins Leere und wartete darauf, dass das Koffein seine Arbeit tat.
Die Sonne schien und der Himmel hatte eine satte blaue Farbe die nur hier und da von Wolken unterbrochen wurde. Genüsslich gähnte ich und streckte die Glieder von mir. Die Füße, welche noch in den bunten Wollsocken steckten, ließ ich von der Veranda baumeln.
In Ruhe vertilgte ich zwei Scheiben Knäckebrot mit Käse und trank den letzten Schluck Cappuccino aus, während die Sonne meine Haut in der kühlen und klaren Luft wärmte. So lässt es sich Leben dachte ich mir, als ich mich zurück lehnte und dem Morgenkonzert der Vögel lauschte.
So saß ich noch einige Minuten dar, bevor ich ins Waschhaus schlenderte und mich für den Tag fertig machte.
Danach ging alles relativ fix, die geladenen Akkus kamen wieder in ihre Geräte, der Kanister wurde mit frischem Wasser gefüllt und zusätzlich eine Thermoskanne mit heißem Wasser. Für die nächste Reise brauche ich dringend einen Gaskocher, dachte ich mir. Das würde so einiges erleichtern und mir mehr Unabhängigkeit bieten.
Alle Sachen wurden wieder im Auto verstaut, bevor ich die Hütte noch einmal durchfegte und den Schlüssel abgab.
Als ich gerade vom Platz fahren wollte kam der Tischler, welcher am Vortag an der Nachbarhütte werkelte. Wir grüßten uns und sein kleiner Hund, fasst noch ein Welpe, machte einen langen Hals vom Beifahrersitz um besser gucken zu können.
Ausgeschlafen, frisch geduscht, satt und zufrieden ging es wieder auf die E6 Richtung Norden.
Es war ein herrlicher Tag und zu meiner Überraschung tauchte nach ca. 80km, ich war erst ein Stündchen unterwegs, die Aurora Borealis vor mir auf. Ok, nicht das echte Polarlicht, doch der Torbogen der die Grenze zwischen Nord-Trøndelag im Süden und Nordland markierte. Ein Bogen der über die Straße gespannt war und die Form des Polarlichtes hatte.
Das Tor nach Nord Norwegen! Sozusagen der Zieleinlauf meiner Reise, der wiederum auch den ursprünglichen Anfang markierte. Ich war angekommen, endlich war ich da.
Freudig bog ich rechts auf den kleinen Rastplatz ab und parkte meinen Wagen.
Vor der Reise hatte ich mir einige Bilder angesehen von Dingen, die ich wohl auf meiner Tour sehen würde und unter anderem war es dieser Torbogen. Schon als ich diesen im Internet erblickte, wollte ich unbedingt dort durchfahren und wie es sich für einen Fotojunkie gehört, auch fotografieren.
Neben dem Parkplatz befand sich ein kleiner Kiosk sowie ein Souvenirladen und verschiedene Infotafeln über den Norden Norwegens.
In aller Ruhe sah ich mich um, lass den einen oder anderen Text auf den Anzeigen und machte jede Menge Bilder für das Fotoalbum.
Es war erst 09.30 Uhr am Morgen des dritten Tages und ich war unglaublich glücklich. Die Natur, die Luft, das Licht, alles hatte mich in seinen Bann gezogen und ich bemerkte was für eine starke Anziehungskraft dieses Land auf mich hatte.
Aufgeladen durch pure Euphorie setzte ich meinen Weg weiter Richtung Norden fort.
Ca. alle 15 Minuten hielt ich an, da sich gefühlt hinter jeder Kurve, hinter jedem Hügel eine neue grandiose Landschaft vor mir auftat.
Seen, Flüsse und Berge die noch teilweise mit Schnee bedeckt waren boten einen tollen Kontrast vor dem blauen Himmel. Denn selbst der Himmel schien ein anderer als der zuhause zu sein.
Ich konnte es mir nicht verkneifen ein Foto mit dem Handy zu machen und an meine Kollegen zu schicken, die nun im Büro saßen und arbeiten mussten.
Die Zeit verging wie im Flug und das nächste große Highlight, stand auch schon an.
Kurz hinter der Stadt Mo I Rana wies ein Schild auf die letzte Tankstelle vor dem Saltfjellet hin. Eine Hochebene über die mein Weg führte und einen wunderschönen Nationalpark beherbergt.
Die Landschaft veränderte sich wieder und eine gefühlte Ewigkeit kämpfte ich Kilometer um Kilometer mit der Baumgrenze.
Tausende kleine Zwergbirken standen mir Spalier auf den Weg in die Berge, bis sie auf einmal abrupt verschwunden waren und die Landschaft um mich herum nur noch aus Felsen bestand.
Hier oben gab es nur drei Farben. Grauer Stein, weißer Schnee und das tiefe blau des Himmels.
Dann war ich da. Der 66. Breitengrad lag direkt vor mir und ich hatte den Polarkreis erreicht.
Der Polarkreis!!! Ich konnte es nicht fassen. The arctic circle, 66° Nord!!!
Bislang hatte ich mir nie genau Gedanken darüber gemacht, wo dieser exakt entlang verläuft. Für mich klang das Wort Polarkreis immer arktisch, polar und Bilder von Expeditionen kamen mir in den Kopf. Ganz so extrem ist es nun wirklich nicht.
Dennoch war diese Etappe einer der größten Höhepunkte meiner Reise und als der erste Besuch von vielen folgenden, blieb er mir als ganz besondere Erinnerung im Gedächtnis.
Noch immer konnte ich es nicht realisieren das ich nun wirklich hier stand. Am liebsten wäre ich wie ein kleines Kind durch die Gegend gehüpft und hätte immer wieder laut gerufen, der Polarkreis, der Polarkreis, der Polarkreis.
Selig grinsend ging ich von meinem Auto zu dem ersten kleinen Globus, der die symbolische Grenze des Breitengrades darstellte und ich schritt das erste Mal über diese Grenze.
Wie zu erwarten war passierte nichts und alles war wie zuvor, dennoch war es toll.
Ich ging in das Polarkreiszentrum und schaute mich in dem Souvenirladen um. Es gab eine Menge Kitsch aber auch nette Dinge und einige Bekleidung. Mal was anderes, shoppen auf dem 66. Breitengrad, mitten im Nirgendwo.
In der anschließenden Cafeteria kaufte ich mir eine Tasse Kaffee und eine warme Waffel mit Marmelade und Rømme.
Ich setzte mich damit nach draußen in die Sonne und genoss das hier und jetzt. Was für ein fantastischer Tag dieses war und der richtige Ort um eine etwas längere Rast einzulegen.
Die Waffel und der Kaffee schmeckten gut und ich genoss jedes Bisschen von beidem.
Nachdem ich mich gestärkt hatte und die große Aufregung an diesem Ort zu sein, sich etwas legte, marschierte ich den kleinen Fußweg zum größten Globus.
Eine nette Französin schoss ein Erinnerungsfoto von mir, wie ich auf dem Sockel aus Holz stand, auf dem die Erdkugel gebaut war.
Das Pflichtmotiv war nun also auch im Kasten und nach einem kleinen Spaziergang kehrte ich zum Auto zurück.
Ich verließ den Parkplatz und bog wieder auf die E6 ab. Wenige Sekunden später hatte ich dann auch mit dem Auto, den dicken weißen Balken auf der Straße überquert, der den Breitengrad markierte.
Langsam nahm ich wieder Fahrt auf und strahlte beim Anblick der Landschaft des Saltfjellet.
Seit diesem Moment üben diese Höhenlagen einen ganz besonderen Reiz auf mich aus. Selten, wenn überhaupt, hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt etwas Schöneres gesehen.
Flechte, Moose und Zwergbirken. Pflanzen die in dieser Gegend überleben wollten, mussten sich den harten Witterungen dieser Breitengrade anpassen.
Eine karge, unwirtliche Landschaft aus Felsen, die durch mal mehr und mal weniger tosende Flüsse unterbrochen wurde.
Auf den ersten Blick wirkt es trist und trostlos doch bei genauerer Betrachtung entdeckt man die vielen kleinen Wunder der Natur. Gelbe, lila oder weiße Blüten die vermeintlich direkt auf den Steinen und umringt von tauendem Schnee wachsen. Kleine, zarte Schönheiten die dem Wind trotzen und nach jedem Winter mit Schnee, Eis und Stürmen wieder aufs Neue in diesem scheinbaren Nichts aufgehen.
Mit jedem Kilometer den ich weiter fuhr, näherte sich das Ende des Nationalparks. Die Bäume wurden wieder größer und die Landschaft grüner. Wunderschön waren die im satten lila blühenden Lupinen, die in den Straßengräben wuchsen.
Noch heute wollte ich bis nach Bodø kommen und eine der Fähren erwischen, die zwischen dem Festland und der Inselgruppe der Lofoten pendelten. Somit musste ich mich wieder etwas sputen und genoss die Landschaft und Orte aus meinem Auto heraus.
Nach weiteren 2 Stunden erreichte ich Fauske. Ich stoppte kurz um zu tanken und war so schnell wieder weg, wie ich gekommen war.
Kleinere Orte schaute ich mir gerne an und auch wenn Fauske keine Metropole war, war mir hier und heute schon zu viel Trubel. Somit nichts wie weg und ich schlug den Weg weiter Richtung Bodø ein.
Bei Fauske hatte ich von der E6 auf den RV 80 gewechselt und fuhr nun genau gen Westen und auf das Meer zu. Es war eine schöne Strecke die mich fast unablässig am Wasser entlang führte. Links von mir lagen die Fjordausläufer und auf einem Parkplatz legte ich noch einmal eine Rast ein.
Ich kletterte über ein paar Felsen, bis ich auf dem größten und höchsten eine geeignete Stelle fand um es mir bequem zu machen. Ausgerüstet mit Kamera, Wasser und Zigaretten (ja ich weiss…) saß ich dort und beobachtete ein paar Personen die ein kleines Boot zu Wasser ließen und sich auf einen Angelausflug vorbereiteten.
Unter mir ragten die vom Wasser rund gewaschenen Felsen tief in den Fjord rein.
Das Wasser war so klar, das ich bis zum Grund schauen konnte. Eine spiegelglatte Oberfläche, in der der blaue subarktische Himmel reflektierte. Am gegenüberliegenden Ufer, das mit Laub- und Nadelbäumen bewachsen war, standen hier und da kleine Holzhütten. Rot getüncht mit strahlenden weißen Fenster- und Türrahmen die durch das Sonnenlicht von weitem leuchteten.
Das kleine Boot schwamm mittlerweile auf dem Wasser, und ein Mann drehte die erste kleine Testrunde, bevor die anderen einstiegen.Auch für mich wurde es Zeit weiter zu ziehen. Somit kraxelte ich über die Felsen zurück zu meinem Auto.
Das letzte Stück bis nach Bodø war schnell vollbracht und ich stand, hinter zwei Wohnmobilen aus Frankreich, in der Autoschlange des kleinen Fähranlegers.
Wie sich rausstellte hatte die Fähre gerade abgelegt und die beiden Franzosen mussten wie ich ausharren da das Schiff voll war.
Es kam Verwirrung auf, als wir vor dem Fahrplan standen um zu sehen wann die nächste Abfahrt war. Die Ehepaare diskutierten heftig auf Französisch und auch wenn ich kein Wort verstand, war es recht amüsant für mich. Die Herren waren scheinbar nicht überzeugt davon, dass die nächste Fähre erst um 01.30 Uhr Nachts ablegte. Doch heute war der letzte Tag des Winterfahrplans und somit fiel die Wartezeit mit 6 Stunden etwas länger aus als im Sommer üblich. Letztlich mussten sich die Herren geschlagen geben und jeder von uns kehrte erst einmal zurück zu seinem Fahrzeug.
Ich machte es mir auf dem Fahrersitz gemütlich und lass in meinem Buch.
Kurze Zeit später kamen auch schon die nächsten Touristen, die rüber auf die Lofoten wollten und reihten sich in der Autoschlange ein. Ein Wohnmobil aus Italien parkte direkt hinter mir.
Eine Frau, welche aussah wie eine typische italienische Mama, stieg aus und stand ebenso ratlos vor dem Fahrplan, wie wir vor einigen Minuten. Hilfesuchend schaute sie sich um und kam schnurstracks auf mich zu gesteuert. In schlechtem Englisch und mit einem Fahrplan in der Hand fragte sie mich wann die nächste Fähre geht. Da sie den Sommerfahrplan hatte und ihr Englisch sich auf eine Handvoll Wörter beschränkte, gestaltete sich das Ganze etwas schwierig.
Es wurde auch dadurch nicht besser, dass sie ihr Anliegen in einem immer schneller und lauter werdenden italienisch vortrug, was ich nun wirklich nicht verstand.
Nach langem hin und her konnte ich ihr dann doch die Uhrzeit klarmachen, wann die nächste Fähre nach Moskenes auf den Lofoten ablegte. Sie bedankte sich freudig und wir mussten beide über die Situation schmunzeln.
Nachdem sie zurück in ihr Wohnmobil gekehrt war, machte sich ein Hungergefühl in mir breit. Viel Auswahl hatte ich nicht. Das Wasser welches ich mir morgens aufgekocht und in eine Thermoskanne gefüllt hatte, war nur noch lauwarm. Dennoch machte ich mir daraus eine „heiße Tasse“ mit Tomatensuppe und dazu Knäckebrot. Es schmeckte eher bescheiden, trotz allem war ich froh etwas halbwegs Warmes in den Magen zu bekommen und das Hungergefühl lies nach einer Weile nach.
Im Hafen lag ein Boot der Hurtigrute, die MS Midnatsol. Sie ist eines der neusten und größten Schiffe der Reederei. Die Passagiere, welche von einem Landausflug zurückkamen, gingen wieder an Board und nachdem der letzte Gast über den Einstieg im inneren des Schiffs verschwunden war, wurden die Schotten auch schon dicht gemacht und die Taue von den Pollern gelöst. Die laute und tiefe Schiffshupe erfüllte den Hafen und dröhnte in meinen Ohren. Nööööööt – Nööööööt – Nööööööt machte es und das Schiff setzte sich in Bewegung.
Noch wusste ich nicht dass ich selbst, nur 8 Monate später, mit einem dieser berühmten Postschiffe in See stechen würde. Entlang der norwegischen Küste die im Winterschlaf lag, dass ich durch das stürmische Eismeer zum Nordkap und knapp bis zur russische Grenze gelangen würde.
Doch noch war Sommer und ich unwissend was die Zukunft betraf.
Ganz vertieft in meinem Buch saß ich in meinem Auto und die Stunden vergingen.
Später krabbelte ich auf die Rückbank und in meinen Schlafsack. Ich stellte mir meinen Wecker und versuchte eine bequeme Position zu finden. Ich musste versuchen wenigstens ein paar Stunden zu schlafe, bevor es aufs Schiff ging und ich die restliche Nacht ohne Kabine irgendwo auf dem Schiff „herumlungern“ würde.
Soweit es auf einer Autorückbank geht, wälzte ich mich von einer Seite auf die andere, bis ich endlich irgendwann und viel zu spät meinen Träumen erlag.
Mitten in meiner Tiefschlafphase wurde ich dann zu meinem bedauern von dem schrillen Piepsen meines Weckers geweckt.
Wie in der vorherigen Nacht, sind die Temperaturen wieder gefallen. Im Auto war es kalt und ich verkroch mich bis zur Nasenspitze in meinem Schlafsack. Grummelig zog ich ihn mir dann weiter bis über meinen Kopf und wollte nur weiter schlafen.
Warum muss es nur am schönsten und gemütlichsten sein, wenn man aufstehen muss…? Warum kann es nicht auch schon beim einschlafen so sein…? Fragen die ich mir fast jeden Morgen stellte und die zwecklos waren.
15 Minuten gönnte ich mir noch in meinem warmen Versteck, bevor ich den zerzausten Kopf wieder aus dem Schlafsack streckte. Kann es sein das es noch kälter geworden war? Doch bevor ich dieses als Vorwand nehmen konnte meinen Kopf wieder einzuziehen, öffnete ich den Schlafsack und zog mir schnell meine Fleecejacke über.
Wenige Sekunden später stand ich zähneklappernd am Kofferraum und suchte mir meine Kulturtasche und ein Handtuch heraus. Ich ging rüber zu dem kleinen Servicegebäude und auf die Toilette. Schnell machte ich mir einen neuen Zopf, putzte die Zähne und wusch mein Gesicht. Das kalte Wasser half zwar nicht dabei mich aufzuwärmen, doch wurde ich dadurch wieder wach und der Kreislauf wurde angekurbelt.
Als ich wieder aus dem Gebäude und an die frische Luft trat, registrierte ich dass es hell war. Es war 00.15 Uhr und taghell!
Doch bevor ich mich mehr mit diesen Gedanken beschäftigen konnte, tauchte ein kleiner etwas älterer Mann vor mir auf. Wild gestikulierend stand er vor mir und erzählte ohne Punkt und Komma. Außer der Tatsache, dass es sich um den Ehemann der Italienerin vom Vorabend handeln musste, verstand ich mal wieder kein Wort. Er zeigte immer wieder in die Richtung, in der wir parkten, plapperte weiter und zog mich am Arm.
Ich gab mit fragendem Gesichtsausdruck nach und ging zusammen mit ihm zu meinem Auto. Flüchtig verstaute ich wieder meine Sachen im Kofferraum und folgte dem Mann zu seinem Wohnmobil. Er öffnete die Türe und bedeutete mir einzusteigen. Ich schaute ins Innere und begegnete dem Blick der Italienerin, die mich nach den Abfahrtszeiten gefragt hatte. Lächelnd stand sie am Herd und goss dampfenden Kakao in einen Becher.
Ja ich weiß, man steigt nicht zu fremden Leuten ins Auto und nimmt auch keine Süßigkeiten von fremden Leuten an. Doch es gab heißen Kakao in einem warmen Wohnmobil und bei dem freundlichen und warmherzigen Lächeln des Ehepaares wurde es auch mir warm ums Herz.
Somit stieg ich die Stufen ins Wohnmobil hoch und nahm am Tisch auf einer gemütlichen Bank platz. Die Frau reichte mir einen Plastikbecher heißen Kakao und setzte sich mir gegenüber während ihr Mann stehen blieb. Wir prosteten uns zu und ich nippte vorsichtig an der süßen Schokolade. Der Kakao war so heiß, das ich kaum den Becher halten konnte ohne mir die Finger zu verbrennen. Umso erstaunter war ich, dass die beiden gleich mehrere große Schlucke nahmen.
Die Frau gab mir zu verstehen, dass sie gesehen hätte wie ich fröstelnd am Auto stand und anscheinend hatten die beiden Mitleid mit mir und beschlossen mich einzuladen.
Mein Blick fiel durch das Fenster und ich ließ ihn über den Fähranleger und den Hafen gleiten. Erst jetzt konnte ich mich weiter mit dem Gedanken befassen das es mitten in der Nacht war und taghell. Meine erste Mitternachtssonne!
Auch das Ehepaar schaute aus dem Fenster.
Das Gespräch verlief recht zäh, denn ich sprach kein italienisch, der Mann kein englisch und nur mit der Frau ließen sich die einfachsten Sätze austauschen. Somit lief ein Großteil der Kommunikation über Gestik und Mimik.
Lächelnd saßen wir uns gegenüber und waren alle drei fasziniert von diesem Schauspiel der Natur.
Ich fragte die beiden von wo aus Italien sie herkommen und auch wenn ich heute nicht mehr den Namen der Stadt weiß, so weiß ich noch die Lage.
Als der Mann mir antwortete, konnte ich nur mit den Schultern zucken und bedauernd den Kopf schütteln, dass ich die Stadt nicht kennen würde. Woraufhin der Mann sein Bein hob, mit der flachen Hand an sein Knie fasste und sie bis zu seinem Fuß hinunter gleiten ließ. „Italia!!!“ sagte er und deutete auf eine Stelle an seinem Bein. An einem Hosenbein ist es zwar schwer die genaue Position auszumachen, doch mussten die beiden ungefähr an der Küste nördlich von Venedig wohnen.
Über diese lustige und einfallsreiche Beschreibung musste ich lachen und auch der Mann grinste stolz, sich an dem Gespräch beteiligen zu können.
Während ich durch pusten versuchte den Kakao etwas schneller abkühlen zu lassen, tauschten wir uns über unseren Urlaub aus. Dauer, bisherige Strecke und geplante Ziele. Ich verstand dass es für die Frau schon immer ein Traum gewesen ist, durch Norwegen zu reisen und einmal bis zum Nordkap zu kommen. Nach vielen Jahren und erreichen des Rentenalters hat sie ihren Mann endlich überzeugen können.
Ein Blick auf die Becher der beiden zeigte mir, dass sie bereits ausgetrunken hatten.
Mein Becher hingegen war noch fast randvoll und für mich immer noch zu heiß zum trinken. Dennoch nippte ich immer weiter daran und pustete was das Zeug hält. Auf jeden Fall war mir mittlerweile warm geworden und der letzte Rest Müdigkeit war wie verflogen. Dennoch ging uns langsam der Gesprächsstoff aus und es drohten längere Pausen des peinlichen Schweigens.
Immer wieder schauten wir aus dem Fenster und bewunderten die Mitternachtssonne, unterdessen ich die Zähne zusammen biss und ebenfalls mit großen Schlucken den Becher leerte.
Nun war mir nicht nur warm sondern geradewegs heiß und ich spürte wie ich Rotbäckchen bekam.
Bis zur Ankunft der Fähre war es auch nicht mehr lange und ich bedankte mich für den Kakao und die liebe Geste.
Jetzt genoss ich die kühle Luft, die mir beim aussteigen entgegen strömte.
Ich bedankte mich noch ein paar Mal und winkte den beiden auf dem Weg zu meinem Auto zu.
Gerade noch rechtzeitig holte ich meine Kamera aus dem Auto, als die Fähre, die MS Bodø, in den Hafen einlief. Ich schoss einige Bilder und beobachtete das Schiff beim anlegen. Pkws, LKWs und Wohnmobile fuhren von der Fähre.
30 Minuten später war die Fähre geräumt und für die neuen Gäste startbereit. Wir gingen alle zu unseren Autos und fuhren nacheinander an dem Norweger vorbei, der die Tickets verkaufte und geradewegs auf das Schiff.
Zwischen 4,5 und 5 Stunden dauert die Überfahrt und viele richteten sich auf den Sitzen häuslich ein. Mich hingegen trieb es wieder sofort nach oben an Deck und an die Reling. Wollte ich doch keinen Augenblick von der herrlichen Mitternachtssonne verpassen. Um 01.30 Uhr hieß es dann Leinen los und die MS Bodø legte ab und fuhr langsam aus dem Hafen und der Sonne entgegen.
Anfangs tummelten sich an Deck noch mehrere Personen.
Ich unterhielt mich mit einer Deutschen Frau über die typischen Dinge wie Reisedauer, geplante Route etc. Begeistert hörte sie mir zu, wie ich erzählte dass ich ganz alleine unterwegs sei.
Sie machte noch ein Foto von mir vor der Mitternachtssonne bevor auch sie wieder unter Deck verschwunden war.
Nun hatte ich das ganze Deck für mich alleine, ich setzte mich und genoss die Ruhe und die vorbeiziehende Landschaft.
Was ein grandioser Tag dieses doch war.
Ich hatte den norden Norwegens erreicht, hatte den Polarkreis überquert, atemberaubende Landschaften gesehen.
495km waren es heute bis nach Bodø und nun saß ich auf einem Schiff welches sich vom Festland entfernte und sich den Lofoten nährte. Direkt der Mitternachtssonne entgegen.
Bei dem sanften schaukeln des Schiffes, döste ich nach einer Weile langsam ein.
Unglaublich was man alles an einem Tag sehen und erleben kann.