Norwegen – Im August 2015 hat es mich sehr weit hoch in den Norden gezogen.
Mit Auto und Zelt ausgestattet ging es hoch bis in die Finnmark und auf die Nordkinnhalbinsel (Nordkyn) die östlich vom Nordkap liegt.
Ein paar Jahre zuvor war ich zwar schon einmal so weit im Norden, doch damals war ich mit der Hurtigrute unterwegs. Auf eigene Faust und mit den eigenen vier Rädern war ich noch nie zuvor so weit oben im Norden.
Die Landschaft hier oben ist geprägt von Felsen, Moosen und Flechten, kleinen Büschen, Klippen und Seen. Alles in allem sehr karg doch ich gestehe das ich das sehr gerne mag.
Am Ende des Tages nach einer kleinen Stippvisite in Mehamn und Kjøllefjord ging es für mich auf einem kleinen Campingplatz nahe Kjøllefjord darum mein Nachtlager aufzuschlagen.
Der Campingplatz liegt am Sommerhaus der Familie Utsi, einer Samifamilie die unter dem Namen Davvi Siida ebenfalls für die Hurtigrute Ausflüge organisiert.
Vielleicht habt ihr sie schon einmal in der ein oder anderen Doku über die Hurtigrute im Fernsehen gesehen. 2015 jedenfalls wusste ich noch nichts darüber.
Der Check In findet in dem kleinen Laden der Familie statt in dem diese wunderschöne Sami-Produkte verkaufen.
Nachdem ich also eingecheckt hatte ging es daran mein Zelt aufzubauen. Doch dieses gestaltete sich schwerer als gedacht denn habt ihr schonmal versucht einen Hering in blanken Fels zu schlagen der nur mit Moos bewachsen ist? Immer wenn ich es geschafft hatte einen in die Erde zu schlagen und den nächsten da setzten wollte wo es mein Zelt gerne wollte und brauchte ließ sich der Hering keinen Millimeter in die Erde stecken. Ich weiß nicht mehr wie lange ich es versuchte und gekämpft hatte doch am Ende hatte ich mich geschlagen gegeben und aufgegeben.
Bewaffnet mit einem Zelthering (weil ich hatte keine Ahnung wie man diese auf englisch nennt) bin ich zurück zu Ailu Utsi um nach einer evtl. besser geeigneten Stelle zu fragen wo ich mein Zelt aufbauen könnte. Dieser war auf der Terrasse zu finden wo er gerade dabei war einen tollen Jacuzzi aufzubauen.
Schnell verstand er wo mein Problem lag und auch das es hier überall keine gute Stelle für mich und mein Zelt gab. Also fragte er mich kurzum „Would you like to sleep in a lavvu?“
Lavvu? Was ist das denn?
Ailu zeigte auf das kleine Sami Tipi Zelt, schnappte sich meinen Arm und lief los.
Wie? Ich darf in einem echten samischen Lavvu schlafen? Ich brauchte einen Moment um mich wieder zu fangen.
Er klappt die Plane zum Eingang auf, zeigte ins Innere und fragte: Möchtest du?
Was für eine Frage!!!! Natürlich möchte ich!!!!
Links und rechts vom Eingang waren zwei Schlafplätze die mit Birkenzweigen ausgelegt waren und am hinteren Ende des Lavvu befand sich ein riesiger Stapel mit Rentierfellen. Die beiden Schlafplätze wurden in der Mitte von einer Feuerstelle getrennt. Ailu deutete mir an das ich mir so viele Felle zum auslegen des Schlafplatzes nehmen könne wie ich wolle und mir auch ruhig am Abend ein Feuer machen könne. Dann wendete er sich dem kleinen See zu der am Rand des Platzes lag. Er sagte das die Familie ein kleines Boot hätte und das wenn ich wolle damit auch rausfahren dürfte. Erstaunt und amüsiert schaute ich ihn an und sagte nur: „ I never come back“.
Doch sagte er wir haben auch Schwimmwesten. Ich musste lachen und wiederholte nur „I never come back“ und da konnte auch er sich das Lachen nicht verkneifen.
Ich bedankte mich überschwänglich und er wand sich wieder seiner Arbeit am Jacuzzi zu und ich mich dem Einzug in das Lavvu.
Wahnsinn, welches kleines tolles Abenteuer sich aus einer Zeltpanne ergeben kann.
Ich stapelte Rentierfelle auf den Birkenzweigen und versuchte es mir bei einem Probeliegen gemütlich zu machen. So ganz wollte mir dieses aber nicht gelingen.
Meine Kollegin würde nun wieder scherzhaft sagen: Prinzessin auf der Erbse…
Tja was soll ich sagen, so ist es nunmal.
Also habe ich mir noch zusätzlich meine aufblasbare Isomatte aus dem Auto geholt. Nun war es perfekt und an der Zeit das hier und jetzt zu genießen.
Ich kochte mir einen Kaffee, breitete 1-2 Rentierfelle vor dem Lavvu aus und machte es mir mit meinem Buch in der Sonne gemütlich.
Toll!!! So richtig konnte ich es immer noch nicht fassen als ich meine Finger über das wunderschöne Fell streichen ließ und den Ausblick bewunderte.
Die Sami gehören zu den indigenen Völkern und leben großteils in den nördlichen Regionen Skandinaviens und der russischen Kola Halbinsel.
Das Innere eines Lavvu ist in feste Bereiche unterteilt. In der Mitte des Lavvu befindet sich eine Feuerstelle die auch als Herd dient. Zwei parallel ausgerichtete Baumstämme verlaufen vom Zelteingang bis zur Kochstellen und bieten Platz für Vorräte und Holz. Diesen Bereich nennt man Uksa während auf der anderen Seite der Feuerstelle die Küche zu finden ist die sich Boasso nennt.
Diese drei Bereiche, also Küche, Herd und Vorratsraum teilen das Lavvu von den beiden Laido. Den Wohn- und Schlafplätzen.
Die kommende Nacht würde ich also in einem echten Lavvu einer samischen Familie verbringen.
Ich ließ mir die Sonne ins Gesicht scheinen und so vergingen die Stunden bis die späte Abendsonne diesen wundervollen Ort in einem traumhaften Licht erstrahlen ließ.
Ich bewunderte so lange das Schauspiel der untergehenden Sonne bis es mich fröstelte und ich mich in meinem Schlafsack verkroch wo ich so schnell wie lange nicht in einen tiefen Schlaf viel.
Am nächsten Morgen als ich gerade dabei war meine Sachen im Auto zu verstauen lernte ich Ailus Frau kennen. Ellinor die auf dem Weg war die Sanitärräume zu kontrollieren legte eine kurze Pause ein als sie mich sah und wir fingen uns an zu unterhalten. Sie fragte mich wie ich im Lavvu geschlafen hätte und ich bedankte mich für dieses spannende kleine Abenteuer welches man nicht alle Tage erlebt.
Ellinor Guttorm Utsi ist eine wirklich tolle Frau und engagiert sich sich sehr für die samischen Rechte.
Zum Abschied schenkte sie mir noch eine Postkarte. Ein Stück Erinnerung die tatsächlich noch bis heute an meiner Pinnwand in der Küche hängt und mich somit immer wieder an diesen tollen Ort auf dem 70. Breitengrad erinnert.
[…] Die darauf folgende Nacht habe ich nämlich in einem Lavvu geschlafen. (lest hier mehr dazu) […]